Max Dollinger
© Pernille Sandberg Max Dollinger, gebürtiger Franke, stand bereits als sehr junger Mensch auf der Opernbühne (Zweiter Knabe in Mozarts Die Zauberflöte). Hinzu kamen viele weitere Kinder- und Jugendrollen auf professionellen Theaterbühnen. Nach seinem Studium in Leipzig und Mannheim erhielt Dollinger sein erstes Festengagement am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau und sang als Gast an der Oper Chemnitz, der Staatsoperette Dresden, dem Renaissance Theater Berlin, dem Theater Ulm und dem Theater Nordhausen. Als Konzert-Solist war er unter anderem am Gewandhaus Leipzig, beim Bachfest Leipzig, bei den Musikfestspielen Saar sowie im Friedrichstadt-Palast Berlin zu erleben. Der vielseitige Künstler entwickelt und gestaltet regelmäßig eigene musikalisch-literarische Programme und Crossover-Projekte unter anderem mit den Thüringer Symphonikern, dem Palais-Orchester Weimar und dem Saarländischen Staatsorchester. 2023 wurde seine Revue BITTE WARTEN. am Saarländischen Staatstheater uraufgeführt. Der Bariton war 2023 Stipendiat des Richard-Wagner-Verbands Saar und erhielt 2019 den Förderpreis der Sächsischen Sängerakademie sowie 2017 zwei Preise beim Bundeswettbewerb Gesang Berlin. Nach seiner Zeit im Ensemble des Saarländischen Staatstheaters (2021/25) ist Max Dollinger nun seit der Spielzeit 2025/26 Ensemblemitglied an der Staatsoper Hannover.
Welche künstlerische Zusammenarbeit hat Sie besonders geprägt?
Besonders geprägt hat mich das Kinder-Theater-Oberfranken am Theater Hof, durch das ich schon ab meinem 12. Lebensjahr Solorollen für Kinder auf der Hauptbühne rauf und runter spielen durfte. Ich bin dort auf der Bühne sozusagen aufgewachsen. Schon durch meine erste Rolle, der Zweite Knabe in Die Zauberflöte, wurde ich so vom Musiktheaterfieber gepackt, dass es mich bis heute nicht losgelassen hat.
Haben Sie ein besonderes Ritual, bevor Sie auf die Bühne gehen?
Das Allerwichtigste vor jeder Probe oder Vorstellung ist für mich immer ein ausführliches Einsingen im Studierzimmer. Viele brauchen dafür nur wenige, pragmatische Minuten. Bei mir ist das eher ein Ritual. Ein Weg zu sich beziehungsweise in seinen Vokaltrakt hinein. Ich nehme mir dafür bewusst Zeit, um meinen Körper möglichst gut vorzubereiten. Im Anschluss hole ich mir üblicherweise einen doppelten Espresso in der Kantine und gehe meine Partie nochmal mental durch. Egal, wie vermeintlich routiniert der Text schon sitzt, wiederhole ich ihn immer nochmal vor mich „hinbrabbelnd“, auf- und abtigernd und meistens wild gestikulierend. Auf der Seitenbühne führt das regelmäßig zu amüsanten Irritationen. ;-)
Welche Opern-Figur würden Sie gerne mal auf einen Kaffee treffen – und warum?
Ich würde gerne mal Don Giovanni auf ein Käffchen treffen und versuchen, etwas über seine Kindheit zu erfahren. Wie war das Verhältnis zu seiner Mutter? Hat er sich von ihr geliebt gefühlt? Welche Funktion hatte sein Erzeuger für ihn? Mal ein offenes Ohr für seine tieferen Ängste anzubieten, könnte gar eine ganze Opernhandlung grundlegend verändern …
Welche Reaktion nach einer Aufführung hat Sie am meisten gefreut?
In Zeiten von Social Media bekommen wir Bühnenpersonen nach Auftritten regelmäßig liebe Zuschriften via Instagram oder Facebook. Die besonderen Ausnahmen sind per Hand geschriebene Briefe oder Geschenke, die an der Pforte auf einen warten. Es rührt mich wirklich jedes Mal, dass sich einige solche Mühe machen. Aber egal auf welchem Kommunikationsweg freue ich mich besonders zu hören oder zu lesen, wenn meine Darbietung Menschen berührt und/oder sogar nachhaltig inspiriert hat. Wenn man plötzlich das Gefühl bekommt: Ich wirke über mein begrenztes Max-Dasein hinaus!
Welche Musik hören Sie, wenn Sie nicht arbeiten?
Ganz privat höre ich selten Oper. Am häufigsten genieße ich eher die leisen, feinen Töne für Herz und Hirn mit Fokus auf Authentizität und Text: deutsche Singer-Songwriter, Liedermacher:innen und Chanson. Sonst habe ich oft Jazz zur Entspannung und für einen freien Kopf im Alltag auf den Ohren sowie deutschen (Punk-)Rock zur emotionalen Katharsis, gerne beim Sport.
Welche Rolle kann die Oper in unserer Zeit spielen?
Generell sehe ich jede Kunstgattung auch als eine Form von Herzensarbeit und Schulung in Sachen Empathie an. Man konsumiert ein Kunstwerk, das man auf sich einwirken lässt und das etwas in einem auslöst. Im Vergleich zum Schauspiel kommt neben dem Seheindruck und dem Textinhalt aber in der Oper noch die dritte Ebene der Musik dazu. Ich glaube, sie kann Menschen viel tiefer berühren und einen irrational ergreifen. Selbst wenn ich manchmal die Inszenierung oder sogar den Textinhalt ablehne, kann die Musik trotzdem in mich als Zuschauer eindringen und mich begeistern. Die paradoxe Gleichzeitigkeit von widersprüchlichen Gefühlen lehrt uns eine Differenzierung. Differenzierung, die wir in einer zerrissenen, polarisierten Gesellschaft und krisengeschüttelten Zeit auf der Suche nach einfachen Lösungen so gut gebrauchen können. Zugleich kommen bei Veranstaltungen die verschiedensten Leute zusammen. Die ausgelösten Emotionen, ein Lachen bis hin zum Weinen gemeinsam mit anderen zu erleben, vereint uns – daran glaube ich ganz fest. Kurzum: Das Gesamtpaket Musiktheater ist ein Kraftwerk der Gefühle, im besten Fall mit positiver Auswirkung für mehr Empathie und Herz im Miteinander!