Ammanda Rosa
© Alice Blangero Die Brasilianerin Ammanda Rosa absolvierte ihre Ausbildung in klassischem Ballett und zeitgenössischem Tanz u.a. an der Especial Academia de Ballet in ihrer Heimatstadt São Paulo sowie an der Royal Academy of Dance in London. Ihr erstes Engagement führte sie zur São Paulo Companhia de Dança, wo sie u.a. in Werken von George Balanchine, Nacho Duato, William Forsythe, Jiří Kylián, Marco Goecke und Goyo Montero tanzte. Seit der Spielzeit 2025/26 ist Ammanda Rosa Mitglied des Staatsballetts Hannover.
Welche künstlerische Zusammenarbeit hat dich besonders geprägt?
Es ist schwer, nur eine auszuwählen, aber ich würde sagen, dass William Forsythe – mit seiner Arbeit und seiner allgemeinen Bewegungssprache – den größten Einfluss auf meine Karriere gehabt hat. Mit gerade einmal 18 Jahren, frisch in meiner ersten professionellen Balletterfahrung, hatte ich das Glück, Teil eines Stücks namens Poligono zu sein, das seinen Techniken folgte, und ich war erstaunt über die unendlichen Möglichkeiten, die es bot – insbesondere das Konzept der Bewegung, die in der Körpermitte beginnt und sich nach außen zu den Extremitäten ausbreitet. Im Laufe des Prozesses spürte ich nicht nur, wie sich mein Körper weiter ausdehnte und jeden Raum vollständig ausfüllte, sondern auch, wie mein Tanz an Umfang und Präsenz zunahm.
Viele Jahre später nahm die São Paulo Dance Company In the Middle, Somewhat Elevated und Workwithinwork in ihr Repertoire auf, und ich hatte das große Privileg, mein Verständnis dieser Ideen wieder aufzugreifen und zu vertiefen, indem ich zwei von Forsythes ikonischsten Werken aufführte.
Heute sind 17 Jahre vergangen, aber die Prinzipien, die ich aufgenommen habe, sind immer noch tief in meiner künstlerischen Praxis verwurzelt. Sie leiten mich nach wie vor – subtil und doch kraftvoll – und prägen die Art und Weise, wie ich kreiere, mich bewege und durch Tanz in Verbindung trete.
Hast du ein besonderes Ritual, bevor du auf die Bühne gehst?
Ich habe ein einfaches Ritual, das mich seit meiner Kindheit begleitet. Ich erinnere mich daran, wie ich die älteren Mädchen an meiner Tanzschule beobachtete, wie sie dreimal auf den Boden klopften, bevor sie ihren Auftritt hatten. Neugierig fragte ich meine Lehrerin, warum sie das taten. Sie sagte mir, es sei eine Art Aberglaube – eine Art, Unglück abzuwehren und sich mit der Energie der Bühne zu verbinden.
Diese Geste blieb mir also im Gedächtnis, und mit der Zeit wurde sie mehr als nur eine Gewohnheit – sie wurde zu einem Moment der Erdung. Heute hat sich mein Ritual weiterentwickelt: Ich klopfe immer noch dreimal auf den Boden, aber ich streiche auch mit der Hand darüber und führe diese Hand dann zu meinem Herzen – als Zeichen des Respekts, der Präsenz und der Verbindung. Und bevor ich beginne, mache ich das Kreuzzeichen, bitte um Schutz und bedanke mich.
Welche historische Persönlichkeit würdest du gerne einmal auf einen Kaffee treffen - und warum?
Ich würde gerne Frida Kahlo treffen und eine Tasse Kaffee mit ihr trinken. Die mexikanische Malerin wurde durch ihre zahlreichen Selbstporträts und ihre von mexikanischen Artefakten inspirierten Werke bekannt, in denen sich Realität und Fantasie vermischen. Ihr intensives Leben – geprägt von einer Kinderlähmung in der Kindheit und einem verheerenden Busunfall im Alter von 18 Jahren – veränderte ihren Lebensweg für immer, doch diese Erfahrungen wurden zu mächtigen Inspirationsquellen für viele ihrer ikonischsten Werke und machten sie zu einem Symbol für Authentizität, Widerstand und Widerstandsfähigkeit.
Frida Kahlos Fähigkeit, Schmerz in Kunst zu verwandeln, ihr Leiden neu zu gestalten und zu überwinden, bewegt mich zutiefst. Ihre Stärke, ihr unerschrockener Kampf für Menschen- und Frauenrechte und ihr unerschütterlicher Geist inspirieren mich, mich tief in meine eigene Bestimmung zu vertiefen. Sie erinnert mich daran, Kraft und Widerstandskraft zu finden, um die Herausforderungen zu meistern, die im Leben und im Tanz auftreten.
Welche Musik hörst du gerne, wenn du nicht arbeitest?
Musik ist bei fast allem, was ich tue, präsent – sie hilft mir, den Rhythmus und die Stimmung meines Tages zu bestimmen. Wenn ich nicht arbeite, höre ich gerne Musik, die zu dem passt, was ich im Moment brauche. Deshalb habe ich eine umfangreiche und vielseitige Playlist zusammengestellt, die von MPB (Brazilian Popular Music), Reggaeton, Rock und Rap bis hin zu klassischer Musik, Mantras und beruhigenden Klängen zum Einschlafen reicht.
Welche Rolle kann der Tanz in unserer Zeit spielen?
So wie ich die Welt heute sehe und wahrnehme, waren wir noch nie so miteinander verbunden und doch so weit voneinander entfernt. In einer Welt, in der sich alles digital abspielt, haben wir das Gefühl, dass wir die Fähigkeit verloren haben, echte, gegenwärtige und bedeutungsvolle Verbindungen aufzubauen. Wir werden ständig mit neuen Technologien und Informationsströmen bombardiert, was ein unerbittliches Gefühl der Dringlichkeit erzeugt, das uns das Gefühl gibt, immer hinterherzuhinken. Dieses beschleunigte Tempo zwingt uns dazu, ständig zu produzieren und etwas nachzujagen, das wir oft nicht einmal benennen können.
Für mich bietet der Tanz einen Moment des Innehaltens – einen Atemzug. Es ist eine Form der Verbindung, die über den Bildschirm hinausgeht und durch den Körper, durch gemeinsame Gefühle, Empfindungen und Energie stattfindet. Der Tanz wird zu einem Raum für Empathie, Anerkennung und Zugehörigkeit. Er entschleunigt uns und bringt uns einander näher, vertieft unsere menschlichen Beziehungen in einer Welt, die dies dringend braucht.